Angestellt im Projekt “FiPP bridge” zur Unterstützung geflüchteter Menschen wollte Annette Kübler auch hier Anti-Bias einbringen. FiPP bridge bot Deutschkurse an und in diesem Rahmen passten „die Geschichte meines Namens“ uns andere Übungen gut. So entwickelte sie mit Patricia Göthe besondere Anti-Bias-Trainings für eine vielfältige Gruppe von Teilnehmenden. Von 2005 bis 2007 wurden Anti-Bias-Trainings durchgeführt, auf denen sich Menschen ohne gesicherten Aufenhaltsstatus, die einander aus den Deutschkursen und anderen Aktivitäten des bridge Projektes kannten mit Multiplikator_innen aus der politischen Bildungsarbeit. Für die Seminare besorgten wir Zuschüsse um gemeinsame Übernachtung in Seminarhäusern zu ermöglichen.
Im Training entstanden unerwartete Chancen: über zwei Wochenenden fanden sehr persönliche Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher Biographien statt – getragen von der Basis eines gemeinsamen Lernens –
Mutersprachler_innen übten beim Sprechen auf eine leichte Sprache zu achten, die allen Anwesenden Teilhabe ermöglicht, alle waren dabei die verschiedenen Dimensionen von Diskriminierung die Verwobenheit und eigenen Verstricktheiten zu entdecken.
Die Komplexität von Anti-Bias ermöglichte unerwartete Perspektivwechsel, so formulierten Menschen Überraschung, dass sie nicht nur Ziel von rassistischer Diskriminierung sind, was sie wussten, sondern dass sie eigene Stärken neu entdeckten, Stärken, die sie auch im Überleben in rassistischen Strukturen erlernt hatten. Und Menschen, die in vielen Aspekten marginalisiert sind stellten erfreut fest, dass sie in einigen Aspekten auch privilegiert sind und diese Privilegien sehr wohl nutzen.
Menschen, die schon lange in Berlin leben, politisch aktiv sind und sich für Chancengerechtigkeit einsetzen stellten entsetzt fest, dass sie keine privaten Kontakte zu geflüchteten Menschen hatten und benannten den zwischenmenschlichen Austausch als ebenso wichtig wie die Fortbildung.
„Inklusionskurse?!“
Uns so entstand eine kleine Vision: wenn Integrationskurse nicht Kurse wären, in denen behauptet wird, Deutschland wäre perfekt, sondern wenn sie wären wie unser Prozess: wenn Menschen, die schon länger hier sind und neu hinzugekommene gemeinsam versuchten zu verstehen, wie Ungerechtigkeit funktioniert und wer wie ansetzen kann für Veränderung – dann fände Inklusion statt.
Trotz unterschiedlicher Zugangsvorausetzungen konnten in einem Setting, das Machtverhältnisse und Machtmechanismen reflektiert, mehrdimensionale Unterdrückungsverhältnisse bearbeitet und „Normalitätsdiktate“ dekonstuiert werden.
Jenseits von Anpassungsforderungen an eine angeblich bereits perfekte Gesellschaft nahmen wir die tatsächlichen Menschenrechtsverletzungen ebenso wie die Vielfalt der Erfahrungen in den Blick und suchten in Übungen und mit Theatermethoden Wege zu Veränderung.
was daraus entstand …
2007 erstellten die Teilnehmer_innen von fipp-bridge weitestgehend selbständig einen Kurzfilm: Abenteuer Deutschland – Erfahrungswelten von Flüchtlingen. Dort bieten unter Leitung von Toan Ngyuen in kreativer Umsetzung Einblicke in ihre Lebenswelten.
Wenn normal nicht mehr normal ist
Ein Bespiel unserer Trainingsinhalte war, dominante verinnerlichte Bilder über den „Süden“ zu dekonstruieren. Wir führten den Quiz „Weltbilder“ zu Größenverhältnissen von Kontinenten auf Grundlage der Merkatorprojektion durch. Dabei konnte erlebt werden, dass das, was „normal“ erscheint völlig verzerrt sein kann. Das exemplarisch erlebte wurde übertragen: wissen wir eigentlich wie viele Bilder wir im Kopf haben, die wir für „normal“ halten, nur weil sie bisher nicht hinterfragt wurden? Wie können wir sie bewusst zu machen um sie dann zu verändern? Und wir fragten: Inwieweit sind „Wahrheiten“ wie eine Kartenprojektion von (Macht)- Interessen gelenkt?
(Mehr zu der Übung, die Annette Kübler entwickelt und inzwischen veröffentlicht hat hier auf S. 28)